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Vom Atom zur Kernenergie

Autor(en):
Walter Kaiser

Chronik:
-450 5. Jh. V. Chr. Leukippos entwickelt die Vorstellung eines kleinsten, nicht wahrnehmbaren, unteilbaren („atomos“) Stück des Seienden und prägt damit den Begriff des Atoms.
-400 Demokritos, Schüler von Leukippos: in Wahrheit gibt es „nur Atome und Leeres“
-300 Epikuros schreibt den unteilbaren und unvergänglichen Atomen neben Gestalt und Größe „Schwere“ zu.
-80 Asklepiades führt die Atomtheorie in die Medizin ein, physiologische Prozesse werden zum ersten Mal auf einer molekularen Ebene diskutiert.
-50 (vor 50 v. Chr.)Titus Lucretius Carus fasst in seinem Werk „De rerum natura“ die griechische Atomistik zusammen und liefert damit die Grundlage für deren Wiederaufnahme in der Renaissance.
-25 Vitruv zitiert in „De architectura“ im Zusammenhang mit Baumaterialien die Atomvorstellungen von Demokritos und Epikuros.
1519 (vor 1519) Leonardo da Vinci spricht in Anlehnung an Lucretius von Atomen, die physikalisch zu verstehen sind; außerdem entwickelt er ein mechanisches Atommodell.
1591 Giordano Bruno schreibt in „De triplici minimo et mensura“ über Atome als kleinste Körper.
1612 Galileo Galilei äußert sich in einer Frühschrift als Anhänger der Atomistik, Beginn seines Kampfes gegen Aristoteles
1619 Daniel Sennert schreibt „De consensu ac dissensu chymicorum...“, Neuanfang der Atomistik in Deutschland und Erklärung chemischer Vorgänge
1638 Galilei: Die „Discorsi e dimostrazioni matematiche …“ zeigen den anhaltenden Einfluss von Demokritos
1646 Johann Chrysostomus Magnien: „Democritus reviviscens“, zudem erste Abschätzung der Zahl von Atomen in einer bestimmten Masse
1789 Martin Heinrich Klaproth gewinnt Uran aus Pechblende (Urandioxid).
1810 John Dalton begründet, bezugnehmend auf Newton, die neuzeitliche Atomtheorie. Demnach besitzen die chemische Elemente je spezifische Atome, in Reaktionen gehen sie feste zahlenmäßige Verbindungen ein.
1815 Hypothese von William Prout: Die Elemente sind aus unterschiedlichen Anzahlen von Wasserstoffatomen zusammengesetzt.
1819 Dulong-Petit_sche|Petit'sche]] Regel: Produkt aus Atomgewicht und spezifischer Wärme für (viele) feste Elemente annähernd = 6 cal/grad mol (Pierre Louis Dulong und Alexis Thérèse Petit)
1896 Henri Becquerel entdeckt, dass von Uran(salzen) eine Strahlung ausgeht.
1898 Das Ehepaar Pierre und Marie Curie isoliert die strahlenden Elemente Polonium und Radium, Marie prägt den Begriff „substance … radio-active“.
1900 Max Planck begründet im Zusammenhang mit der Energieverteilung in der Wärmestrahlung die Quantentheorie, sie wurde Grundlage für die Berechnung des Atoms (Niels Bohr, Werner Heisenberg, Paul Dirac, Erwin Schrödinger u.a.).
1903 Ernest Rutherford: aufgrund ihrer Ablenkung in elektrischen und magnetischen Feldern Einteilung der radioaktiven Strahlung in Alphastrahlung und Betastrahlung sowie (bei fehlender Ablenkung) Gammastrahlung
1905 Albert Einstein formuliert das Masse-Energie-Gesetz und ermöglicht in der Folge die Berechnung des Energiegehalts von einem Gramm Materie zu 25 Millionen Kilowattstunden; wegen des Massendefekts bei Kernreaktionen wird dies grundlegend für die nukleare Energieerzeugung.
1908 Aufgrund der Energieerzeugung beim radioaktiven Zerfall schätzt Frederick Soddy in einer öffentlichen Vorlesungsreihe in Glasgow den Energiegehalt von Uran; demnach besitze ein Pfund („pound“) Uranoxid den Energiegehalt von 900 Tonnen („ton“) Kohle und man könne deshalb mit einer Tonne Uran ein ganzes Jahr London beleuchten.
1911 Ernest Rutherford: Kernstruktur des Atoms aufgrund von Streuversuchen mit Alpha-Strahlen und der unerwartet großen Streuwinkel
1911 Charles Thomson Wilson entwickelt die Nebelkammer, mit deren Hilfe es möglich wird, die Bahnen von ionisierenden Teilchen sichtbar zu machen und zu fotografieren
1911 (1911-1914) Vermeintliche Messung von Ionisationsenergien, eigentlich Nachweis von diskreten Energieniveaus der Elektronen in (Quecksilber-) Atomen: „Elektronenstoßversuche“ von James Franck und Gustav Hertz
1913 Atommodell von Niels Bohr, Annahme von diskreten Energieniveaus (Bahnen) von Elektronen in der Atomhülle, quantentheoretische Erklärung der Wasserstoffspektren
1913 Hans Geiger und Walther Müller erfinden das Geiger-Müller-Zählrohr zum Nachweis und zur Messung ionisierender Strahlung.
1917 (1917/1919) Annahme einer hochgradigen Ionisation der Materie im Inneren der Sterne: Sir James H. Jeans
1919 Ernest Rutherford: Wasserstoffkerne mittels Alpha-Strahlen aus Stickstoffkernen herausgeschlagen, erste experimentelle Kernreaktion; das zweite Bruchstück, ein Sauerstoffisotop wurde 1924 von dessen Schüler Patrick M. S. Blackett in der Nebelkammer nachgewiesen
1919 Francis William Aston konstruiert seinen Massenspektrographen zur Identifikation der Isotope chemischer Elemente; großtechnisch wird mit diesem Prinzip im Manhattan-Projekt eine Variante der Isotopentrennung bzw. Anreicherung beim Uran durchgeführt.
1922 Richtungsquantelung des Kernspins: Atomstrahl-Experiment von Otto Stern mit Walther Gerlach mit Silberatomen im inhomogenen Magnetfeld
1925 Wolfgang Pauli stellt fest: kein Elektron in der Atomhülle darf in allen Quantenzahlen mit einem anderen Elektron in der Atomhülle übereinstimmen (Pauli-Verbot)
1925 Spin (Eigendrehimpuls) des Elektrons: aufgrund des anomalen Zeeman-Effekts vorgeschlagen von Georg E. Uhlenbeck und Samuel A. Goudsmit
1927 Rolf Wideröe: Erster Linearbeschleuniger mit einer Beschleunigung von Teilchen durch Einspeisung von Hochfrequenz; vorgeschlagen 1924 von Gustav Ising
1931 Robert J. van de Graaff lässt seinen elektrostatischen Hochspannungsgenerator patentieren; Nutzung als Linearbeschleuniger für Teilchen durch Raymond George Herb ab 1935
1931 Noch vor Entdeckung des Neutrons weist Harold C. Urey spektroskopisch den (durch fraktionierte Destillation von flüssigem Wasserstoff) erzeugten schweren Wasserstoff („Deuterium“) nach.
1932 Inbetriebnahme des ersten Zyklotrons (Kreisbeschleunigers) von Ernest O. Lawrence und Milton Stanley Livingston
1932 Sir John D. Cockcroft und Ernest Th. S. Walton beschießen mithilfe des nach ihnen benannten elektrostatischen Beschleunigers Lithium mit Protonen und wandeln damit zum ersten Mal einen Atomkern mit künstlich erzeugter Teilchen-Strahlung um (der Lithiumkern zerfiel in zwei Heliumkerne)
1932 Sir James Chadwick erzeugt (vorbereitet durch Experimente von Irène Curie und Jean Frédéric Joliot-Curie) durch den Beschuss von Berylliumkernen mit Alphateilchen Neutronen; den experimentellen Nachweis für die Existenz des Neutrons führt er durch eine weitere Reaktion der entstandenen Neutronen mit den Protonen in Paraffin.
1932 Vermutung, dass Atomkerne aus Wasserstoffkernen, also Protonen, und Neutronen bestehen: Werner K. Heisenberg und Dmitri D. Iwanenko; anstelle der Neutronen wurden vorher vielfach Paare aus Protonen und Kernelektronen angenommen
1933 Messung des magnetischen Moments des Protons mit der Molekularstrahl-Methode: Otto Stern, Otto Robert Frisch und Immanuel Estermann
1933 Gilbert N. Lewis und Ronald T. Macdonald erzeugen Schweres Wasser auf elektrolytischem Weg.
1934 Enrico Fermi: Beschuss verschiedener Elemente, insbesondere des Urans, mit (idealerweise langsamen) Neutronen. Mögliche Kernspaltungen bleiben wegen der Hypothese, dass mit dem Neutronenbeschuss Transurane erzeugt werden, unerkannt (ähnlich bei Frédéric Joliot und Irène Joliot-Curie 1937).
1935 Hideki Yukawa sagt zur Erklärung der kurzreichweitigen Kraftwirkungen zwischen Nukleonen das Pion (π-Meson) als Austauschteilchen voraus.
1935 Nachdem Rolf Wideröe bereits das Konzept des Betatrons publiziert hatte, baut Max Steenbeck bei Siemens in Berlin ein erstes funktionsfähiges Betatron zur Beschleunigung von Elektronen bis auf Energien um 2 MeV; ab 1940 entwickelt Donald W. Kerst in den USA das Betatron bis zu Elektronenenergien in der Größenordnung von 300 MeV weiter.
1938 Otto Hahn und Fritz Strassmann entdecken aufgrund der chemischen Identifikation eines Barium-Isotops, also eines mittelschweren Kerns, die Spaltung des Urankerns mit langsamen Neutronen (entgegen der erwarteten Erzeugung eines im Periodensystem „benachbarten“ schweren Isotops). Lise Meitner findet zusammen mit Otto Robert Frisch eine Erklärung für die Kernspaltung auf der Basis des Tröpfchenmodells des Kerns.
1939 Enrico Fermi und Leó Szilárd führen im Januar und im März in den USA eigene Experimente zur Kernspaltung des Uran durch.
1939 Hans von Halban, Lew Kowarski und Frédéric Joliot-Curie in Frankreich sowie Enrico Fermi und Herbert L. Anderson in den USA entdecken, dass bei der Uranspaltung mithilfe von Neutronen mehr Neutronen entstehen als absorbiert worden waren, dass also bei der Kernspaltung eine Kettenreaktion möglich ist.
1939 Niels Bohr und John Archibald Wheeler identifizieren das Isotop U 235 als den Kern, der von langsamen, „thermischen“ Neutronen gespalten wird.
1939 Leó Szilárd und Enrico Fermi wechseln eine Reihe von Briefen über die Verwendung von Graphit, in das Uran eingebettet ist, zur Erzeugung einer Kettenreaktion. Vorgeschlagen wird damit das Konzept eines „Moderators“, der durch Verlangsamung der Neutronen die energieliefernde Spaltung von U 235 unterstützt und die Neutronen-Einfangreaktion des U 238 unterbindet; eine grundlegende Voraussetzung für den Bau von Kernreaktoren
1941 Glenn Th. Seaborg erzeugt das Plutonium Pu 239 durch Beschuss von Uran mit Deuteronen (dem Kern des schweren Wasserstoffs Deuterium).
1941 Enrico Fermi erwähnt gegenüber Edward Teller die Möglichkeit der Kernfusion, ausgelöst durch die (noch nicht existierende Spaltungsbombe).
1942 Am 2. Dezember wird in Chicago der erste Kernreaktor Chicago Pile 1 kritisch. Bei dieser ersten, von Menschen kontrollierten Kettenreaktion mit Natururan als Kernbrennstoff und Graphit als Moderator sind u.a. anwesend: Enrico Fermi (Leitung des Projekts), Arthur H. Compton, Leó Szilárd, George L. Weil, Eugene P. Wigner, Volney C. (Bill) Wilson, Walter H. Zinn
1944 Enrico Fermi und Leó Szilárd lassen sich mit einem umfassenden Patentantrag vom 19. Dezember einen Kernreaktor („Neutronic Reactor“) schützen, zur Verwendung als Neutronenquelle, für das Erbrüten von Plutonium und zur Energieerzeugung
1945 Am 16. Juli erste Zündung einer Atombombe bei Alamogordo in der Wüste von New Mexico (Trinity-Test, Plutonium-Bombe); Direktor des geheimen Kernwaffenlabors Los Alamos war J. Robert Oppenheimer. Am 6. August erster Abwurf einer Atombombe auf Hiroshima (Uran 235-Bombe) und am 9. August Angriff auf Nagasaki (zweite Plutonium-Bombe)
1948 Schalenmodell des Atomkerns: Maria Goeppert-Mayer und unabhängig im gleichen Jahr von J. Hans D Jensen
1951 Am 20. Dezember liefert zum ersten Mal ein Kernreaktor (zugleich der erste funktionierende Brutreaktor) elektrischen Strom: im Experimental Breeder Reactor I (EBR1) bei Arco im Idaho National Laboratory treibt eine Dampfturbine einen 100-kW-Generator an. Partielle Kernschmelze 1955, Stilllegung Ende 1963
1952 (1952/1953) Typisch für die Vielzahl amerikanischer Reaktorlinien vor Eintritt in die kommerzielle Phase: Im Oak Ridge National Laboratory (USA) wird ein Reaktor mit „homogenem“ Kern in Betrieb genommen (stark angereicherter Kernbrennstoff U 235 als Uranylulfat in Wasser gelöst); thermische Leistung 1000 kW, elektrische Leistung 150 kW
1953 8. Dezember: Präsident Dwight D. Eisenhower entwirft vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York seinen Plan zur internationalen friedlichen Nutzung der Atomenergie („Atoms for Peace“), Motive liegen in der Außen-, Entwicklungs- und Industriepolitik der USA
1954 Am 27.6. wird in Obninsk bei Moskau das erste Kernkraftwerk der Sowjetunion in Betrieb genommen, mit einem graphitmoderierten, leichtwassergekühlten Reaktor (mit angereichertem Uran), einer thermischen Leistung von 30 MW, einer elektrischen Leistung von 5 MW; Vorgänger der RBMK-Reaktoren (wie in Tschernobyl)
1954 Stapellauf des amerikanischen U-Boots „Nautilus“, des ersten nukleargetriebenen U-Boots, Referenzprojekt des Druckwasserreaktorkonzepts von Westinghouse, erbaut von Admiral Hyman G. Rickover
1955 Die amerikanische Atomenergiekommission (Atomic Energy Commission) gibt einen Großteil bisher geheimer Forschungsberichte zur Reaktortechnik frei und macht sie auf der vom 8. bis 20. August stattfindenden ersten UN Konferenz über „Peaceful Uses of Atomic Energy“ in Genf zugänglich. Damit wird erstmals weitgehend frei über die Entwicklung der friedlichen Anwendung der Atomenergie berichtet. Hinzu kommen Angebote der USA für Ausbildung ausländischer Wissenschaftler und die Vergabe von spaltbarem Material für Forschungsreaktoren im Rahmen von bilateralen Abkommen mit mehr als zwei Dutzend Staaten.
1956 In Großbritannien geht das KKW Calder Hall mit einer elektrischen Leistung von 60 MW in Betrieb. Die Leitung des Projekts hat der Ingenieur Sir Christopher Hinton. Bis 1959 kommen drei weitere Blöcke hinzu. Es handelt sich dabei um gasgekühlte (CO2) und graphitmoderierte Natururan-Reaktoren (vom Magnox-Typ), wobei zunächst die Produktion von Plutonium für Kernwaffen eine bedeutende Rolle spielt; ab 1964 dominiert die kommerzielle Verwendung. Calder Hall wird 2003 stillgelegt.
1956 Gründung der Kernforschungseinrichtung in Karlsruhe, zunächst als Kernreaktor Bau- und Betriebsgesellschaft mbH, seit 1959 als Gesellschaft für Kernforschung mbH (GfK) und seit 1978 als Kernforschungszentrum Karlsruhe GmbH (KfK). Ebenfalls 1956 Gründung der entsprechenden Einrichtung in Jülich; die „Gesellschaft zur Förderung der kernphysikalischen Forschung (GFKF)“ wird 1960 umbenannt in „Kernforschungsanlage Jülich des Landes Nordrhein-Westfalen e.V.“ (KFA).
1957 Erster bundesdeutscher Forschungsreaktor FRM in Garching bei München, ein Leichtwasserreaktor, geliefert von der amerikanischen AMF Atomics Inc.
1957 In USA geht in Shippingport, Pennsylvania der erste Druckwasserreaktor von Westinghouse mit 60 MW elektrischer Leistung in Betrieb, wie bei der „Nautilus“ war der Erbauer Hyman G. Rickover (bis zur Stilllegung 1982 wird der Reaktorkern zu experimentellen Zwecken mehrfach geändert).
1959 Nach dem Dounreay Materials Test Reactor (DMTR), geht ein erster stromliefernder „Schneller Brüter“ mit 15 MWe in Dounreay, Schottland in Betrieb (Dounreay Fast Reactor, DFR), am Netz 1962, stillgelegt 1977
1959 Die Sowjetunion stellt den ersten kernkraftbetriebenen Eisbrecher „Lenin“in Dienst, er fährt bis 1989
1959 In Genf wird an der europäischen Forschungseinrichtung „CERN“ das 28GeV-Protonen-Synchrotron in Betrieb genommen. CERN stammt von der ursprünglichen frz. Bezeichnung „Conseil Européene pour la Recherche Nucléaire“; trotz der weiter bestehenden Abkürzung ist der vollständige Name heute „European Organization for Nuclear Research“ bzw. frz. „Organisation européenne pour la recherche nucléaire“. Der eigentliche Schwerpunkt seit Bau der ersten Beschleuniger Ende der 1950er Jahre ist aber die Physik der Elementarteilchen.
1960 Mit dem Block Dresden-1 wird am Standort Dresden Generating Station, Grundy County, Illinois (USA) das erste privat finanzierte KKW mit 210 MW elektrischer Leistung in Betrieb genommen, basierend auf einem Siedewasserreaktor der General Electric (GE), stillgelegt 1978.
1961 In Kahl am Main speist das 16-MW-Versuchs-KKW, das gemeinsam von RWE und Bayernwerk betrieben wird, zum ersten Mal Strom in das öffentliche Netz. Erbaut wurde die Anlage durch die AEG; die GE als Anteilseignerin von AEG war Lizenzgeberin und Lieferantin des nuklearen Teils des Siedewasserreaktors
1962 Leistungsbetrieb des ersten eigenentwickelten deutschen Forschungsreaktors FR 2 am Kernforschungszentrum Karlsruhe, eines schwerwassermoderierten Natururanreaktors mit zunächst 12 MW thermischer Leistung und Nutzung als Neutronenquelle. Dieser von Wolfgang Finkelnburg bei Siemens ursprünglich favorisierte Reaktortyp ist wenig erfolgreich, kommerziell wird er heute noch in Kanada eingesetzt.
1962 Im August schicken die USA die „Savannah“, das erste kernkraftbetriebene Handelsschiff, auf die Jungfernreise; der Antrieb basiert auf einem 74 MW-Reaktor von Babcock & Wilcox. Im Oktober 1968 absolviert der Frachter „Otto Hahn“ als drittes kernkraftbetriebenes ziviles Schiff (nach dem sowjetischen Eisbrecher Lenin und der „Savannah“) seine erste Probefahrt.
1963 Am KKW-Standort Chinon bei Tours liefert der erste kommerzielle französische Reaktor Strom. Der retrospektiv sogenannte Block Chinon A1 bzw. EDF 1 ist ein gasgekühlter, graphitmoderierter Natururanreaktor (UNGG, Uranium Naturel Graphite Gaz) mit einer Leistung von 70 MWel.; stillgelegt 1973. Am Standort sind heute (2013) noch vier Druckwasserreaktoren mit je 954 MWel. in Betrieb.
1964 Die UdSSR nimmt am KKW-Standort Nowoworonesch einen ersten Block mit 210 MW in Betrieb; der Druckwasserreaktor ist ein Prototyp für die Entwicklung der Linie WWER (Wasser-Wasser-Energie-Reaktor). Am Standort sind heute (2013) noch drei Druckwasserreaktoren mit einer Leistung von 1834 MWel. am Netz.
1966 Am KKW-Standort Gundremmingen geht der Block A ans Netz, ein im Konsortium von AEG und GE gebauter Siedewasserreaktor mit 252 MWel.; nach Störfall 1977 stillgelegt; am Netz zur Zeit (2013) noch zwei Siedewasserreaktoren mit je 1344 MW
1966 In Jülich geht der von BBC gebaute AVR (von Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor) in Betrieb. Der AVR ist ein gasgekühlter Hochtemperaturreaktor mit 15 MWel., mit dem der von Rudolf Schulten entwickelte Kugelhaufenreaktor realisiert wird. Stilllegung 1988.
1966 Mit der Verarbeitung von abgebrannten Brennelementen aus dem KKW Chinon wird in La Hague in Frankreich eine Wiederaufarbeitungsanlage für Kernbrennstoff in Betrieb genommen, zunächst zur Gewinnung von Plutonium für Kernwaffen; ab 1970 für die kommerzielle Kerntechnik
1967 Kernkraftwerk Haddam Neck (auch Kernkraftwerk Connecticut Yankee), nahe Haddam Neck, Connecticut (USA) geht in Betrieb. Mit 603 MWel. besaß es den damals weltweit leistungsfähigsten Reaktor, einen Druckwasserreaktor von Westinghouse. Eignerin und Betreiberin war die Connecticut Yankee Atomic Power Station Corporation. Zusammen mit Oyster Creek Einstieg in die eigentlich kommerzielle Kerntechnik, zugleich Anzeichen für die endgültige Durchsetzung des Leichtwasserreaktors. Der Reaktor wird am 5. Dezember 1996 stillgelegt.
1968 Netzsynchronisation des ersten größeren deutschen (leichtwassermoderierten) Druckwasserreaktors in Obrigheim am Neckar, 345 MWel., erbaut von Siemens unter Nutzung von DWR-Lizenzen des US-Partners Westinghouse; Abschaltung 2005
1969 Kernkraftwerk Oyster Creek (Ocean County, New Jersey) geht ans Netz, ein von General Electric gebauter Siedewasserreaktor mit 636 MWel.; ursprüngliche Betreiberin war die Jersey Central Power & Light Co., genehmigt zunächst bis September 2009, dann verlängert bis 2029, geplant jedoch Schließung 2019 (zur Zeit – 2013 - ältestes in Betrieb befindliches KKW der USA)
1971 Erste Netzsynchronisation des Kernkraftwerks Würgassen, mit einem von der AEG gebauten Siedewasserreaktor mit einer elektrischen Leistung von 670 MWel.; zusammen mit dem KKW Stade Beginn der kommerziellen Kerntechnik in der Bundesrepublik; das KKW Würgassen wurde im August 1994 abgeschaltet
1972 Kernkraftwerk Stade nimmt den kommerziellen Leistungsbetrieb auf. Von Siemens gebauter Druckwasserreaktor mit einer elektrischen Leistung von 660 MWel.; im November 2003 stillgelegt
1973 In Frankreich wird der Schnelle Brüter „Phénix“ mit einer Leistung von 250 MWel. in Marcoule in Betrieb genommen, zuletzt – bis zur Abschaltung 2010 - genutzt für Experimente zur Transmutation radioaktiver Abfälle (bei einer reduzierten Leistung von nur noch 140 MWel.)
1974 Inbetriebnahme des ersten kommerziellen Hochtemperaturreaktors in Port St. Vrain (Colorado, USA) mit einer Leistung von 330 MWel. Stilllegung 1989.
1974 In Deutschland liefert der Block A des KKW Biblis (Erbauer KWU, Betreiber RWE) Strom in das öffentliche Netz. Mit 1204 MWel. Leistung ist es zu diesem Zeitpunkt das größte KKW der Welt. Sowohl im nuklearen Teil als auch im konventionellen Teil, also mit dem Einwellen-Turbogenerator, erreicht die KWU die vorderste Front der Kerntechnik. Block B mit 1300 MW geht 1976 ans Netz. Biblis A und B werden 2011 stillgelegt. - Im Übrigen storniert die BASF 1976 endgültig ihre umstrittenen Pläne, auf dem Werksgelände in Ludwigshafen ein eigenes KKW zur Auskopplung von Prozesswärme und zur Eigenstromerzeugung zu bauen.
1974 Weltweit sind Ende des Jahres 163 Kernkraftwerksblöcke in Betrieb, 332 sind in Bau oder bestellt.
1976 Mit seinen drei Siedewasserreaktoren von General Electric und einer gesamten elektrischen Leistung 3297 MW ist Browns Ferry Nuclear Plant (bei Athens, Alabama, USA) das größte KKW der Welt; betrieben wurde es von der Tennessee Valley Authority.
1979 Gravierendster Unfall in einem KKW der westlichen Welt: durch einen nicht erkannten Verlust von Kühlmittel und Versagen bzw. Fehlbedienung des Notkühlsystems kommt es in Block 2 des KKW Three Mile Island bei Harrisburg in den USA zu einer ca. 50%igen Kernschmelze und damit praktisch zur Zerstörung des Reaktorkerns. Der Druckwasserreaktor (906 MWel.) stammt von Babcock & Wilcox. Der Unfall steht am Beginn eines Umschwungs der Kernenergiewirtschaft in USA.
1979 In Frankreich wird das KKW Bugey an der Rhône mit 4279 MW elektrischer Leistung in fünf Blöcken zum größten KKW der Welt (damals neben vier Druckwasserreaktoren noch ein inzwischen stillgelegter UNGG-Reaktor).
1980 Als Block 3 des KKW Bjelojarsk (UdSSR) geht der damals größte Schnelle Brüter der Welt mit 600 MW elektrischer Leistung in Betrieb.
1983 In Culham (bei Abingdon in Oxfordshire, Großbritannien) wird die europäische Kernfusionsanlage JET (Joint European Torus) fertiggestellt. Es werden erste Plasma-Experimente durchgeführt. Mit JET soll die kontrollierte Kernfusion zur Energieerzeugung erforscht werden.
1985 In Hamm-Uentrop (Stadtteil Schmehausen) gibt der heliumgekühlte THTR (Thorium-Hochtemperatur-Reaktor, mit einer Kugelhaufen-Anordnung der Brennelemente) mit einer elektrischen Leistung von 300 MW erstmals Strom ans Netz ab. Erbauer ist die BBC. Stilllegung bereits nach kurzer Betriebszeit.
1986 Im Kernkraftwerk Tschernobyl (Ukraine) mit seinen vier 1000 MW-Reaktoren wird der Block 4 vollständig zerstört (Typ RBMK-1000, graphitmoderierter, leichtwassergekühlter Siedewasser-Druckröhrenreaktor, mit problematischer inhärenter Sicherheit). Ausgelöst wird die Katastrophe durch einen Leistungsabfall unter die vorgeschriebene Minimalleistung und eine „gewaltsame“ Leistungssteigerung durch Preisgabe der Abschaltreserve. Massive und großräumige Freisetzung von Radioaktivität wegen des Graphitbrandes mit seinen hohen Temperaturen und wegen der langen Laufzeit der Brennelemente.
1989 Am 31. Mai 1989 werden die Bauarbeiten an der heftig umstrittenen deutschen Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf in der Oberpfalz eingestellt; wenig später werden (wenig dauerhafte) Verträge abgeschlossen, nach denen die französische Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague sowie die britische Anlage in Sellafield die abgebrannten Brennstäbe aus der Bundesrepublik aufarbeiten sollen. Mit der Novellierung des deutschen Atomgesetzes von 2002 wird festgelegt, dass radioaktive Abfälle ab 2005 nicht mehr aufgearbeitet werden dürfen.
1998 Die thermische Reaktorleistung von Isar 2 wird ein zweites Mal auf nun 3950 MW angehoben; damit wird – zusammen mit mehrfachen Leistungssteigerungen des Turbogenerators - eine elektrische Leistung von 1475 MW erreicht. Technischer Höhepunkt im Betrieb der von der Siemens-Tochter Kraftwerk Union in den 1980er Jahren gebauten drei baugleichen deutschen Konvoi-(Druckwasser-) Reaktoren, neben hoher Verfügbarkeit
2005 Am Standort des finnischen Kernkraftwerks Olkiluoto Baubeginn eines EPR (European Pressurized Reactor) der frz. Areva mit 1600 MWel., unter Nutzung der Erfahrungen mit den fortgeschrittenen deutschen Konvoi-Reaktoren und den französischen Druckwasserreaktoren der Baureihe („Palier“) N4 REP 1450, noch unter Beteiligung von Siemens. Prognose für den frühesten Beginn der Stromerzeugung zur Zeit 2016. Seit 2007 zudem rein französisches EPR-Projekt in Flamanville, Fertigstellung ebenfalls für 2016 geplant.
2007 439 Kernkraftwerke weltweit in Betrieb, die Brutto-Leistung der Anlagen beträgt insgesamt 392.958 MW.
2011 11. März, Katastrophe im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi mit seinen sechs – in den 1970er Jahren ans Netz gegangenen - Siedewasserreaktoren: Aufgrund eines Seebebens mit nachfolgendem Tsunami Ausfall der Stromversorgung und der Kühlsysteme. In der Folge Zerstörung der vier tiefer liegenden Blöcke, teilweise mit Kernschmelzen und Wasserstoffexplosionen; massive Kontamination der Umgebung und anhaltende Erzeugung von kontaminiertem Wasser durch notgedrungen primitive Kühlverfahren (November 2013). Verschiedene Länder revidieren ihre Energiepolitik; die Bundesrepublik beschließt, bis 2022 vollständig aus der Kernenergie auszusteigen
2012 Ende 2012 sind in 31 Ländern 437 Reaktoren mit einer Leistung von 372,1 GWel. in Betrieb, in Bau befinden sich 67.

Zuletzt geändert am 03.04.2017 09:54  von Runde, Andreas